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Ein Hoch auf das Handwerk

Brot


Bei den „Brotbuben“ in der Bäckerei Lener entsteht Backwerk noch handwerklich und aus besten Zutaten. Denn nur mit kompromissloser Qualität kann man gegen den Einheitsteig bestehen.

Backen ist Handwerk. Im Zeitalter der tiefgekühlten Einheits-Teiglinge aus der Großproduktion vergisst man schnell darauf. Doch kaum irgendwo wird man eindrücklicher zu den Wurzeln des Bäckerei-Handwerks zurückgeführt als bei den „Brotbuben“ der Bäckerei Lener in Innsbruck. Betritt man frühmorgens die Backstube, steigt einem noch der betörende Duft von frischgebackenem Brot in die Nase. Genau acht Uhr morgens zeigt die Uhr, da ist das Tagewerk des Bäckers schon fast erledigt. Gut gelaunt führt Seniorchef Stefan Lener durch seine Backstube in der Innsbrucker Museumstraße. Obwohl die Bäcker zu nachtschlafender Zeit mit ihrer Arbeit begonnen haben, trifft man allerorten nur auf freundliche Gesichter. Selbstverständlich werden Semmeln in der Bäckerei Lener auch maschinell produziert. Aber eben nicht ausschließlich, wie Chef Stefan Lener erzählt. Hier werden noch tagtäglich an die 800 Semmeln von Hand in Form gebracht, „gewirkt“, wie der Bäcker sagen würde. Eine Kunst, die bei Weitem nicht mehr in allen Bäckereibetrieben des Landes praktiziert wird. Gegen das grassierende Bäckersterben hat Stefan Lener nur ein Rezept parat, nämlich kompromisslose Qualität, weil: „Wenn du bei den Zutaten zu sparen anfängst, wird es kritisch.“ Um sich vom Einheitsteig abzusetzen, rüttelt Lener – der zwischen Hall und Natters acht Brotbuben-Filialen betreibt – auch nicht an Qualität und Regionalität. „Seit 1960 beziehen wir unser Mehl von der Rauch-Mühle in Innsbruck, obwohl ich es anderswo, von weiter her, billiger bekommen würde“, so der Bäckermeister, der 1987 den Betrieb von seinem Vater übernommen hat und nun dabei ist, Schritt für Schritt an seinen Sohn zu übergeben. Der ist derzeit vor allem für die Produktion zuständig und kreiert neue Köstlichkeiten, ob Brot oder Süßgebäck. Leners Regionalitätsdenken geht sogar so weit, dass die Erdbeerzeit bei ihm etwas später beginnt als anderswo, nämlich erst, wenn die Tiroler Erdbeeren reif sind. Fertigfüllen und Konservierungsstoffe kommen dagegen nicht ins Haus. Selbst der Topfen stammt vom Bauern. „Croissants könnte ich um die Hälfte meines Selbstkostenpreises zukaufen“, erzählt Stefan Lener kopfschüttelnd von den Verwerfungen am heutigen Backwarenmarkt.
LIEBE GEHT DURCH DEN MAGEN
Es mag etwas abgedroschen klingen, aber die Liebe geht auch beim Backen durch den Magen. Geschmacklich wird das etwa bei Mohn‘Amour nachvollziehbar, einem Premium-Gebäck der Brotbuben. Lener war einst unzufrieden damit, dass der profane Mohnbeugel an den Enden trocken war, weil dort die Mohnfülle fehlte. Des Rätsels Lösung hieß Mohn‘Amour und darf durchaus als Liebeserklärung ans Süßgebäck verstanden werden. „Die Fülle kochen wir selbst. Dazu wird Mohn gerieben, mit süßen Bröseln, Zucker, Eigelb, Butter und Milch aufgekocht und dann abgekühlt“, erklärt der passionierte Bäcker die Arbeitsschritte.
Dass die von Hand gemachte Semmel besser schmeckt als die maschinell hergestellte, ist keine Einbildung und hat deshalb rein gar nichts mit Psychologie, aber dafür einiges mit Mathematik zu tun. Dadurch, dass unter den einzelnen Lauchen –  das sind die fünf Teile der Semmel, die miteinander den Stern ergeben – eine Mischung aus Kartoffel- und Roggenmehl eingearbeitet ist, vergrößert sich die Oberfläche der Semmel. Daraus folgt ein Mehr an Geschmack und Knusprigkeit. Außerdem ist der Ausgangsteig viel weicher als der vom maschinell produzierten Gegenpart und kann länger rasten. Um die perfekte Handsemmel wirken zu können, braucht es Routine, wie Stefan Lener bestätigt: „Handsemmelnwirken funktioniert nicht, wenn man es nur sporadisch macht.“

BÄCKER MIT LAIB UND SEELE
Es gibt sie ja doch noch, die traditionellen Bäckereibetriebe in Tirol, wo in erster Linie das Bäckerhandwerk zelebriert wird und man im besten Sinne konservativ agiert, ohne sich jedoch sinnvollen Innovationen zu verschließen.
Denn, das weiß Stefan Lener zu gut, erst aus besten Rohstoffen und unter fachkundiger Hand wird Backwerk zum wahren Genuss. Ob Traditionelles wie Wurzelbrot und Vinschgerl, Spezielles wie der Almloab oder Süßes wie Topfentasche, Nussschnecke oder Mohn‘Amour – Backen in seiner traditionellen, unverfälschten Form mit natürlichen Rohstoffen ist weit mehr als das tägliche Brot. Marian Kröll