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Einfach eine klare Sache

Schnaps - Rochelt


Schnapsbrennen hat in Tirol eine sehr lange Tradition und glaubt man einem Spruch, dann geht diese Tradition gar bis ganz an den Anfang zurück – denn man erzählt sich: Wäre Adam ein Tiroler gewesen, dann hätte er den von Eva gereichten Apfel nicht gegessen, sondern zu Schnaps gebrannt.
 Günter Rochelt ist so ein leidenschaftlicher Tiroler Schnapsbrenner gewesen. Der erfolgreiche Spitzenkoch aus Fritzens, durch und durch ein Genussmensch, wollte sich irgendwann einmal mit der Qualität des Tiroler Schnapses nicht mehr zufriedengeben. Also hat Rochelt begonnen, selber Schnaps zu brennen, für sich selbst und für seine Freunde. Das war vor mehr als vierzig Jahren.

Eigener Weg
Mit der ständigen Qualitätsverbesserung seiner Schnäpse wuchs auch die Zahl seiner Freunde stetig an und Anfang der 1990er Jahre wagte Günter Rochelt den Weg in die Selbstständigkeit und begründete am Innufer in Fritzens seine Schnapsbrennerei nach altem Tiroler Vorbild.
Von Beginn an ist Günter Rochelt seinen eigenen Weg gegangen, vor allem was die Auswahl des Obsts anbelangte, aus dem er seine Schnäpse brannte. Oft haben die Bauern verständnislos den Kopf geschüttelt, wenn Rochelt vor Ort das Obst Stück für Stück mit der Hand aussortierte und im mitgebrachten Behälter sofort zur Maische verarbeitete. Diese ständige Suche nach der perfekten Qualität ist damals noch oft belächelt worden, denn die Tiroler Bauern haben ihren Schnaps seit jeher aus dem gebrannt, was halt da war. Dementsprechend schwankte auch die Qualität ihrer Produkte. Günter Rochelt hatte für seinen Schnaps aber immer nur eines im Sinn – es sollte der bestmögliche sein, das war seine Maxime.
Als Günter Rochelt im Jahr 2009 verstarb, hinterließ er eine Schnapsbrennerei, deren Ruf weit über die Grenzen hinausreichte. Es gibt im deutschsprachigen Raum wohl keinen Spitzengastronomen, keinen Haubenkoch, keinen Gourmet und keinen Gastro-Kritiker, dem der Name Rochelt fremd ist. Werden die Schnäpse aus Fritzens professionell verkostet, dann gehen den Experten schnell die Superlative aus und ihre Bewertungen gleichen regelmäßig eher Hymnen als Kritiken. Ebenso wie „Jahrhundert-Koch“ Eckart Witzigmann schwärmt auch der renommierte US-Weinkritiker Robert M. Parker von den Rochelt-Schnäpsen und nennt sie „amazing“.
Günter Rochelt hat noch zu Lebzeiten sein Wissen an die nachfolgende Generation weitergeben können und heute führt sein Schwiegersohn Alexander Rainer, gemeinsam mit den Rochelt-Töchtern Annia, Julia und Teresa das Unternehmen.

Keine Kompromisse
Alexander Rainer, das kann man heute sagen, ist den übergroßen Fußstapfen seines Schwiegervaters nicht ausgewichen, sondern ist den Weg von Günter Rochelt konsequent weitergegangen. Genau wie der Firmengründer macht Alexander Rainer nicht die allerkleinsten Kompromisse, wenn es um die Qualität des Obsts für seine Brände geht. Wie denn auch, fragt er: „Wie soll ich denn einen guten Schnaps machen, wenn ich kein gutes Obst habe? Das ist wie bei einem Koch, der kann aus schlechten Zutaten auch kein Spitzengericht zaubern. Das Allerwichtigste beim Schnaps ist die Frucht, wenn die nicht passt, braucht man gar nicht erst anfangen zu brennen.“
Manchmal passt zwar die Qualität einer Frucht, nicht aber ihr Standort. So war das bei der Schwarzen Ribisel, die Rochelt jahrelang aus Seefeld bezogen hat. Drei alte Tiroler Sorten, die aber wegen dem rauen Klima hierzulande nicht alle ihre Aromen entwickeln konnten. Also hat Alexander Rainer kurzerhand ein paar Ribisel-Büsche ausgegraben, ins Auto geladen und in die Steiermark verfrachtet. Mittlerweile haben sich die schwarzen Beeren aus Tirol auf einen Hektar ausgeweitet und liefern Jahr für Jahr die Basis für den Ribisel-Schnaps.
Lange vor dem Brennen kommt also die Auswahl der perfekten Früchte, des allerbesten Obstes. Daher sieht sich Alexander Rainer „zu achtzig Prozent als Obstbauer“, auch wenn er nicht selbst anbaut. Die Schnapsbrennerei Rochelt besitzt nämlich keine eigenen Obstgärten, das wäre auch gar nicht möglich: „Wir bieten über zwanzig verschiedene Sorten an, da wäre Eigenanbau viel zu aufwendig, und natürlich ist das Tiroler Klima nicht für alle unserer Früchte geeignet,“ weiß Alexander Rainer und dann sagt er einen Satz, der typisch für sein Qualitätsdenken ist: „Außerdem, was mach‘ ich, wenn dann einer kommt und dem sein Obst wäre besser als mein eigenes? Ich müsste es ihm abkaufen und würd‘ auf meinem sitzen bleiben.“
Für die Bauern lohnt sich diese Zusammenarbeit, denn die Schnapsbrennerei Rochelt kann sehr großzügig sein, wenn genau nach ihren Qualitätsanforderungen produziert wird. Da ist ein Vielfaches des normalen Marktpreises zu erwirtschaften, ein gutes Geschäft für beide Seiten. Allein in der Wachau kooperiert Rochelt mit gut 150 Obstbauern, von denen manche, wie Rainer sagt, gerade einmal fünf, sechs Marillenbäume in ihrem Garten stehen haben.

Richtiger Zeitpunkt
Ganz großes Thema für einen Schnapsbrenner wie Alexander Rainer ist der Erntezeitpunkt einer Frucht. Das ist eine Wissenschaft für sich und bei Rochelt wird sehr viel Aufwand betrieben, um dem idealen Zeitpunkt des Pflückens möglichst nahe zu kommen. Oder auch nicht – wie bei den Marillen zum Beispiel. Diese werden nämlich nicht gepflückt, sondern, auf gut Tirolerisch: aufgeklaubt. Vom Boden – denn erst, wenn sie von selbst vom Baum fallen, sind sie perfekt gereift.
Dann ist auch Alexander Rainer zur Stelle. Er macht es wie Günter Rochelt und ist bei zahlreichen Ernten vor Ort, um die Qualität der Früchte zu kontrollieren und dann direkt in die Maische-Behälter zu füllen. Die natürliche und zusatzfreie Gärung setzt innerhalb weniger Stunden ein und verwandelt so den Fruchtzucker auf natürliche Weise zu Alkohol.
An den winzigsten Rädchen zu drehen, um immer noch besseren Schnaps zu brennen, jedes noch so unwichtig scheinende Detail zu beachten – das alles wirkt wie ein Antrieb für Alexander Rainer. Seine Rechnung klingt einfach: Bessere Früchte, besserer Schnaps. Beste Früchte, bester Schnaps.

Enormer Aufwand
Für einen Liter Schnaps müssen – je nach Sorte – bis zu achtzig (!) Kilogramm Früchte verwendet werden, für den Schlehen-Schnaps sogar noch um einige Kilo mehr. Das hängt ganz vom Zuckergehalt einer Frucht ab, denn ist dieser niedrig, dann ist auch die Ausbeute beim Brennen auf natürliche Weise begrenzt. Niemals hingegen werden Zucker, Alkohol oder Aromen beigesetzt, um die Ausbeute zu strecken. Aber das versteht sich für einen Qualitätsbrenner von selbst.
Die von Rochelt verwerteten Obstmengen schwanken je nach Erntequalität von Jahr zu Jahr erheblich und liegen zwischen 80.000 und 250.000 Kilogramm. Dank einer großen Kühlanlage kann sich Rochelt heute in „guten Jahren“ leisten, auch große Mengen einzulagern und bis zum Brennen frischzuhalten. In „schlechten Jahren“ hingegen oder wenn einmal die Ernte einer Sorte komplett ausfällt bzw. die Qualität nicht zu hundert Prozent entspricht, dann gibt es auch keinen Schnaps. Da werden in Fritzens keinerlei Kompromisse gemacht: „Von Rochelt gibt es immer einen Schnaps zu kaufen, aber nicht immer jede einzelne unserer über zwanzig Sorten“, sagt Alexander Rainer. Von diesem Weg wird nicht abgewichen, da bleibt man bei Rochelt konsequent. Insgesamt werden in Fritzens jedes Jahr zwischen 6000 und 8000 Liter Schnaps gebrannt und mehr soll es auch in Zukunft nicht werden.

Bewusst LowTech
Die Schnapsbrennerei Rochelt versteht sich als offenes Haus und Alexander Rainer lässt sich bei seiner Arbeit gern über die Schulter schauen. Die Besucher sind oft ganz erstaunt, auf welch kleinem Raum das Schnapsbrennen selbst stattfindet: „Manche halten unsere Schnapsbrenner-Anlage für eine Art ‚Show-Room‘, dabei brauchen wir nicht viel mehr als unsere vier Kupferkessel, die dazugehörige Technik und ein paar Rohre“, untertreibt Alexander Rainer. Aber tatsächlich, man hat schon Wohnzimmer gesehen, die größer sind als jener Ort, wo die berühmten Rochelt-Schnäpse gebrannt werden.
Auf diesen paar Quadratmetern wird die Erfolgsgeschichte Rochelt Jahr für Jahr weitergeschrieben und es ist auch der Ort, an dem sich Alexander Rainer ganz in seinem Element befindet. Jeder einzelne Liter Schnaps ist jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung, es gibt keine gültigen Muster, auf die ein Brenner zurückgreifen könnte. Rochelt setzt bewusst auf Lowtech, nichts ist automatisiert, alles wird von Hand gesteuert.
Wie in Tirol üblich, wird Rochelt-Schnaps zwei Mal gebrannt, ein Vorgang, für den man sich in Fritzens bis zu elf Stunden Zeit gibt. Es werden keinerlei Zusätze verwendet, der Schnaps wird nicht gefiltert. Das Brennen selbst läuft überall nach denselben, einfachen Prinzipien ab: Die vergorene Frucht-Maische wird gekocht, Dampf steigt auf, wird über die Kühlanlage wieder verflüssigt und rinnt als Schnaps aus der Anlage.
Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit, denn in Wirklichkeit ist die Schnapsbrennerei die ständige Suche nach dem perfekten, dem wahren „Herzstück“. So nennt der Schnapsbrenner jenen Teil des Schnapses, der sich zwischen dem sogenannten Vorlauf und dem Nachlauf befindet. Dieses Herzstück möglichst genau zu definieren, ist die Kunst des Brenners, denn liegt er mit seiner Bewertung daneben, dann ist der Schnaps entweder von minderer Qualität oder man hat wertvolle Aromen verschenkt.

Der Anteil der Engel
Die unvergleichliche Qualität eines Rochelt-Schnapses kommt auch daher, dass er nach seiner Entstehung noch viel Zeit in Fritzens verbringen darf. Abgefüllt in 50-Liter-Glasballons ruht er unter dem Dach der Brennerei, manchmal über zehn Jahre lang. Die anfangs jungen und noch rauen Brände wachsen in dieser Zeit zu edlen Tropfen mit kräftigem Alkohol und konzentrierter Frucht heran.  Übrigens verdunsten am Dachboden jedes Jahr an die 2000 Liter Schnaps – ein kostspieliger „Anteil der Engel“, wie dieser Schwund unter Brennern genannt wird.
Apropos kostspielig – Rochelt-Schnäpse waren immer hochpreisig, schon Günter Rochelt wurde nachgesagt, er brenne „den Liter Vogelbeer-Schnaps nicht unter tausend Schilling“. Dafür bekommt man bei Rochelt heute längst keinen Liter Schnaps mehr – im Laden der Brennerei vor Ort in Fritzens reichen die Preise aktuell von 79 Euro („Gravensteiner Apfel, Ernte 2006“) bis zu 390 Euro („Williamsbirne Naturstark, Ernte 2003“), jeweils für 0,35 Liter. In der traditionsreichen Tiroler Zangenflasche, von Hand abgefüllt, mit Zierstöpsel versehen und im schmucken Holzkistchen.
Der Liter vom Allerbesten aus dem Hause Rochelt kostet also weit über 1000 Euro. Aber wie hat es einmal ein Schnaps-Liebhaber so treffend formuliert: „Jeder einzelne Tropfen ein Hochgenuss und seit ich den Produktionsaufwand für einen Liter Rochelt-Schnaps kenne, habe ich zu den Preisen ein sehr entspanntes Verhältnis.“ Wer einmal einen Rochelt-Schnaps getrunken hat, wird sich schwer tun, dieser Aussage nicht zuzustimmen.
Gernot Zimmermann

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Kleines Schnaps-Lexikon

Das richtige Glas
Cognac-Schwenker, Whiskey-Gläser oder Gläser für einen 40-prozentigen Schnaps sind fehl am Platz. Die Gläser sollten sich in der Form leicht nach oben öffnen, ohne Verengung – so kann der Alkohol am Rand entweichen. Rochelt hat die perfekten Schnapsgläser im Programm. www.rochelt.com

Trinktemperatur
Am ehrlichsten schmeckt ein Qualitätsschnaps bei Zimmertemperatur, weil er so die vollen Fruchtaromen freigibt. In keinem Fall sollte ein Rochelt gekühlt serviert werden.

Wie degoustieren?
Wie alle Schnäpse: in kleinen Mengen. 2 cl sind bei Rochelt schon das absolute Maximum. Und dann in kleinen Schlucken nippen, und niemals kippen – sich viel Zeit lassen, um den fruchtbetonten Abgang nicht zu verpassen.

Alkoholgehalt
Aufgrund der langen Reifezeit vor der Abfüllung wird einem Rochelt deutlich weniger Wasser hinzugefügt als allgemein üblich. So kann er unfiltriert, stark und fruchtbetont genossen werden. Nach Tiroler Tradition hat ein Rochelt-Schnaps niemals weniger als 50 Prozent Alkohol.

Muss er brennen?                  
Blödsinn, ein guter Schnaps brennt weder im Mund noch im Rachen. Dieses Phänomen bleibt dem Fusel vorbehalten, denn was schlecht gebrannt wird, ist auch im Ergebnis scharf und nicht rund.