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Köstliche Schätze aus dem Land im Gebirge

In Tirol ist in den vergangenen Jahrzehnten eine lokale Angebotsvielfalt entstanden, die sich sehen lassen kann. Diese Dynamik ist durch die verstärkte Hinwendung der Konsumenten zu regionalen Produkten ungebrochen und bringt so manchen Schatz – ob bei Fleisch, Gemüse, Obst oder Käse – hervor.


Tirol ist das Land im Gebirge. Wo in früheren Zeiten aufgrund der topografischen Lage der Speiseplan eher monoton ausgefallen ist, da hat mittlerweile eine überraschende Vielfalt Einzug gehalten. Eine Vielfalt, die vom Konsumenten in Zeiten von Lebensmittelskandalen, vorpreschender Gentechnik und allgemeiner Verunsicherung zunehmend geschätzt wird. Und zwar deshalb, weil die ganzen Unbekannten, die es in der Lebensmittelindustrie aufgrund ihrer Größe und des Ökonomisierungsdrucks zwangsläufig geben muss, in der überschaubaren regionalen Lebensmittelherstellung gar keine sind. Wer produziert was, wann, wo und auf welche Art? Das zu erfahren, ist bei regionalen Produkten nicht schwierig.


Wunderbare Milchveredelung
Die Milchwirtschaft und die Weiterverarbeitung des qualitativ hochwertigen Rohstoffs Milch – Stichwort Heumilch – hat in Tirol eine lange Tradition. Es ist nicht übertrieben, sie als Kulturgut zu bezeichnen. Dementsprechend datiert die Gründung der ersten Tiroler Sennereigenossenschaft zurück ins 18. Jahrhundert. Nachdem das Genossenschaftsmodell mit seinen Synergien sich als tragfähiges Konstrukt erwiesen hat, gibt es in Tirol heute 21 Kleinsennereien, vom Außerfern bis nach Osttirol, die eine bislang noch ungekannte Fülle verschiedener Käsesorten herstellen. „Die Kühe trinken Quellwasser und ernähren sich von saftigen Gräsern und Kräutern, im Winter von Heu. Das ist ein beträchtlicher Unterschied zur konventionellen Fütterung mit Silage“, sagt Wendelin Juen, der Geschäftsführer der Agrarmarketing Tirol. Ein Geschmacksplus in der Milch, das sich auch ins fertige Endprodukt, den Käse, überträgt. Abgesehen von den geschmacklichen Vorteilen, die artgerechte Tierhaltung im Einklang mit der Natur mit sich bringt, spielen die Kleinsennereien auch in den regionalen Wirtschaftskreisläufen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Jobs, Jobs, Jobs  – und zwar noch hundert Mal so viele, hängen an den Tiroler Kleinsennereien, die in den Ortschaften verwurzelt sind und tirolweit für rund 300 rare Arbeitsplätze in den ländlichen Gemeinden sorgen. „Außerdem sind die Transportwege kurz, die Frische und Transparenz groß“, argumentiert Wendelin Juen. Lebensmittelsicherheit ist das Schlagwort. Damit trifft man beim Konsumenten durchaus einen wunden Punkt. Außerdem bleibt die Wertschöpfung in der Region, was neben der garantierten Geschmacks- und Geruchsoffensive, die vom heimischen Käse ausgeht, auch einer Wirtschaftsoffensive gleichkommt. Wer nun denkt, dem „Käsen“ sei vermutlich ein ähnlich langsamer und qualvoller Tod beschieden wie so manch anderem alten Handwerk, der lasse sich eines Besseren belehren. Käsen ist heute auch bei den Jungen wieder „in“. Das lässt sich anhand der Kleinsennereien bestens illustrieren, wo man mit 45 Lenzen schon eher dem Alteisen zuzurechnen ist.
Die 21 Tiroler Kleinsennereien werden es mit ihrer jährlichen Produktion von rund 6000 Tonnen Käse zwar quantitativ niemals mit Käsegiganten à la Frankreich aufnehmen können, aber qualitativ muss man sich vor der großen Käsenation nachgewiesenermaßen nicht verstecken. Den diesbezüglichen Ritterschlag gab der Elsässer Käsepapst Bernard Antony, der so manchem Erzeugnis aus heimischen Kleinsennereien internationale Spitzenklasse attestierte. Als herausragend stufte der Käseaffineur von Weltrang etwa den Loick und Danzl‘s Bio Almschnittlauchkäse ein. Der Loick, dessen Name aus dem „Loick, loick, loick“, dem Lockruf für Schafe, abgeleitet ist, besteht zu 100 Prozent aus Tiroler Schafmilch, die von sechs Bauernhöfen zwischen Trins und dem Zillertal stammt. Erzeugt wird dieser außergewöhnliche Käse in der Bundesanstalt für Alpenländische Milchwirtschaft in Rotholz. Die Basis für großartigen Käse ist die Heumilch, die – gepaart mit dem handwerklichen Können der Tiroler Käser – in den hergestellten Käsespezialitäten sicht- und vor allem mit allen Sinnen erlebbar wird. Dass auch hinsichtlich Qualitätsstandards in den Sennereien der State of the Art gepflegt wird, ist im etwas – zugegebenermaßen etwas sperrigen – FSSC 2200 Qualitässtandard verbrieft. Wenn der Lebensmittelstandard der Zukunft hierzulande aber schon heute gehalten wird, ist das ein weiteres beruhigendes Signal für den Konsumenten. Die qualitativ hochwertige Milch wird neben den verschiedenen Käsesorten auch noch zu Butter, Joghurt und Topfen veredelt, beispielsweise in der  Dorfsennerei Flirsch, wo die Flirscher Sennereibutter erzeugt wird.
Fleischliche Genüsse
In diesem Jahr feiert eine Erfolgsstory ihr zehnjähriges Jubiläum. Eine Geschichte, der man von vielen Seiten zu Anfang keine besonders guten Aussichten eingeräumt hatte. „Das passt nicht nach Tirol“ und ähnliche Standpunkte wurden bemüht, um die Produktion von Qualitätsfleisch zu diskreditieren, die wegen der starken Fokussierung auf Zuchtvieh- und Milchwirtschaft in Tirol stets nur eine Nebenrolle einnahm. Doch mit dem kommerziellen Erfolg des Tiroler Jahrlings, einem regionalen Markenfleischprogramm, verstummten auch nach und nach die Kritiker. Der Tiroler Jahrling ist ein neun bis zwölf Monate altes Jungrind aus Mutterkuhhaltung. Das Geheimnis der hohen Fleischqualität liegt in der artgerechten Haltung und Ernährung. Die Jungrinder leben von Geburt an bei ihren Muttertieren und ernähren sich überwiegend von Muttermilch. Erst nach einigen Monaten kommt etwas Gras oder Heu als weitere Nahrungsquelle dazu. Das Fleisch des Jahrlings vereint die positiven Eigenschaften von Kalbfleisch und klassischem Rindfleisch. Es ist fein marmoriert, zart, feinfaserig und dunkelrosa.Mit seinem niedrigen Fettanteil liegt der Jahrling auch nicht schwer im Magen. „Mit dem Jahrling haben wir den Beweis angetreten, dass auch in Tirol Fleisch von ausnehmender Qualität erzeugt werden kann“, sagt Wendelin Juen nicht ohne Stolz. Auch im Bewusstsein, dass man in einem Land mit einer kleinstrukturierten Landwirtschaft, wie sie Tirol aufweist, gewissermaßen eine Antithese zur industrialisierten Massentierhaltung, wie sie etwa in den Vereinigten Staaten, aber teilweise auch in Europa praktiziert wird, geschaffen hat. Dementsprechend bieten die ganz ohne Futtermittel und Futtermittelzusätze, ganz zu schweigen von Hormonen, in natürlicher Umgebung aufgewachsenen Tiere auch der Gastronomie und dem Endverbraucher einen beträchtlichen Mehrwert, der auch einen überschaubaren Mehrpreis durchaus rechtfertigt.
Immer, wenn es Frühling wird, bricht in Tirol beim fleischlichen Genussangebot eine Hochzeit an, denn im Frühling ist Kalbli-Zeit. Das hängt mit dem Umstand zusammen, dass die meisten Kühe ihren Sommer auf der Alm verbringen und im Herbst kalben. Die natürlich aufgewachsenen Tiroler Vollmilchkälber werden mit frischer Kuhmilch aufgezogen, für die Ballaststoffzufuhr wird etwas Stroh gefüttert. Rund vier Monate werden die Kälber in kleinen Gruppen auf Stroh gehalten. Dabei sind sie nicht angebunden und dürfen den Auslauf genießen. Das Resultat dieser Haltung ist besonders zartes, geschmacklich feines und aromatisches Fleisch, das leicht rötlich und etwas dunkler gefärbt ist. Das liegt daran, dass das Fleisch des Kalbli eisenreicher ist als „industriell“ erzeugtes Kalbfleisch. Außerdem ist das Kalbli bekömmlich und reich an Vitaminen und Mineralstoffen. „Die Rückmeldungen der Spitzenköche auf den Jahrling und auf das Kalbli sind äußerst positiv“, weiß Agrarmarketing-Geschäftsführer Wendelin Juen zu berichten.
Doch das heimische Fleischangebot weiß auch abseits von Kuh und Kalb zu überzeugen, denn schließlich ist auch der Grauvieh Almochs nicht von schlechten Eltern und ob seines klassischen Rindfleischgeschmacks die perfekte Wahl für die gesamte kulinarische Bandbreite zwischen Carpaccio und Rindsbraten.
Ein weiterer Leckerbissen – im wahrsten Sinne des Wortes – ist das Berglamm, das mit seinem würzigen Geschmack und seiner Zartheit die Genießer zu überzeugen weiß. Das Muttertier des Berglamms ist ein Tiroler Berg- oder Steinschaf, das man mit einer Fleischrasse gekreuzt hat. Das Tiroler Berglamm ist einerseits fett- und cholesterinarm, im Geschmack aber sehr gehaltvoll, das Fleisch von kompakter Konsistenz und kräftig roter Farbe und von feinen Fettäderchen durchzogen. Klimatisch und topografisch ist Tirol geradezu prädestiniert für die Schafzucht.
Ein taxativer Tiroler Kanon der Fleischeslust kommt selbstverständlich nicht ohne eine kleine Sauerei aus. Die liefert im gegenständlichen Fall das Almschwein, eine saisonale Spezialität. Traditionell ist die Geschichte des Almschweins eng mit jener der Sennalmen verwoben. Die tägliche Käseerzeugung lieferte den Stoff, aus dem der Schweine Träume sind: frische, hochwertige Molke. Das letzte Tier im Kreis und zugleich der Neuankömmling in der erlesenen Runde der Fleischspezialitäten aus dem Land im Gebirge ist das Kitzei. Das mild-aromatische, feinfaserige, zarte Fleisch vom Ziegenkitz sorgt für willkommene Abwechslung am Teller und ist ein echter Gaumenschmeichler.
Tirol hat – speziell für Omnivoren – eine derart qualitativ hochkarätige Angebotsfülle zu bieten, die kulinarische „Seitensprünge“ immer unverzeihlicher werden lässt. Marian Kröll

 

100 % Schaf
Der zu hundert Prozent aus Tiroler Schafmilch bestehende Loick lässt sich mit seinem mild-säuerlichen, aromatischen Geschmack zu kalter und warmer Küche gleichermaßen genießen – gewürfelt oder gerieben auf knackigen Salaten, geschnitten als Tafelkäse mit frischem Brot oder zum Überbacken von Aufläufen. Prädikat Spitzenklasse!

Prägendes Lebensmittel
Die Modlbutter – mit einer Prägung, dem sogenannten „Modl“ versehen – ist eine hochwertige Sauerrahmbutter, die sich in Tirol auf eine lange Tradition berufen kann. In der Zillertaler Heumilch Sennerei gibt man der Butter mittels Rahmreifung ihr fein-säuerliches Aroma mit nussiger Note. 

Schnittlauch und Käse
Die geniale Idee, wildwachsenden Almschnittlauch von der Kohlalm in der Nähe von Schwendt zum Käsen zu verwenden, wird in Sebastian Danzls Sennerei umgesetzt. Der daraus resultierende leicht säuerliche Bio-
Schnittlauchkäse ist eine Offenbarung.

„Stinken“ erwünscht
Zuerst war es nur ein Spitzname. Den hat man allerdings so passend gefunden, dass er dem Edelschimmelcamembert, hergestellt aus Heumilch vom „Wilden Käser“ aus Kirchdorf, geblieben ist. Der Kleine Stinker ruht und reift rund drei Wochen im Keller und wird regelmäßig gewendet. Er zeichnet sich durch seinen festen, topfigen Kern und ein fein-säuerliches Aroma aus. Der Große Stinker riecht kraftvoll, würzig, fast umwerfend. Er zerfließt am Gaumen und hinterlässt mit seinem kräftigen Aroma jedenfalls einen wuchtigen Eindruck.


Petri Dank
Angesichts der vielen Vorzüge regionaler Produkte ist die Agrarmarketing Tirol konsequent auf der Suche nach neuen Produkten, die in Tirol auf fruchtbaren Boden fallen. Eines dieser Projekte, für die Tirol mit seinem Wasserreichtum prädestiniert ist, ist die Fischzucht. Der Saibling ist etwa ein exzellenter Speisefisch, der kaltes Wasser bestens verträgt und durch sein langsames Wachstum von hervorragender Qualität ist. Die Weltmeere werden zunehmend leergefischt, deshalb erscheint es sinnvoll, den Fischliebhabern nachhaltige heimische Alternativen anzubieten. Zur Zeit sind tirolweit einige Fischzuchten in Planung und Umsetzung.