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Reife-Leistung

Fleisch


Dry Aging – die aerobe Trockenreifung – kann Fleisch das gewisse  Etwas verleihen und ist wieder in aller Munde. Nur übertreiben sollte man nicht.

Dry Aging heißt es auf Neudeutsch, das derzeitige Nonplusultra im Steak-Bereich. Damit ist nicht etwa das Fleisch von alten Kühen gemeint, das kaum im Handel zu bekommen ist, aber von den französischen Metzger-Brüdern – die unter anderem Alain Ducasse beliefern – sehr geschätzt wird, sondern die aerobe Trockenreifung, die Reifung unter Luftzufuhr. Nur ein erfülltes Leben füllt Fleisch mit Geschmack, meint etwa der für seine einschlägigen Werke bekannte US-Autor Harold McGee. Die optimale Umgebung für die Fleischreifung ist ein Kühlschrank oder -raum, dessen Temperatur konstant niedrig ist und wo etwa 85 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen. Unter derartigen Bedingungen werden Proteine, Fett und Glykogen durch fleischeigene Enzyme in Aminosäuren, Fettsäuren und Zucker umgewandelt.  Zu diesen Aminosäuren gehört auch Glutamat. Das ist jener Stoff, den wir in ähnlicher Form als Natriumglutamat – Geschmacksverstärker – aus der Industrienahrung kennen. Das Glutamat im Fleisch sorgt für den japanisch als Umami bezeichneten, mit fleischig, herzhaft und wohlschmeckend übersetzbaren Geschmack, der neben süß, sauer, salzig und bitter als fünfte Qualität des Geschmackssinns gilt.
Aromenspagat Zwischen Blauschimmelkäse und hautgout
Übertreiben sollte man es allerdings nicht mit der Trockenreifung. Denn sonst resultieren die Bemühungen in jenem schwierigen Geruch, den der Frankophone als Hautgout beschreiben würde, als jenen leicht süßlichen Geruch der einsetzenden Verwesung. Doch auch jene komplexen, an Blauschimmelkäse erinnernden Aromen, die sich zwischen dem 30. und 45. Tag der Trockenreifung entwickeln, sind nicht für jedermanns Gaumen geeignet. Zum Dry-Agen eignen sich große, durchzogene Fleischstücke, die während des Reifeprozesses auch an Flüssigkeit und damit Gewicht verlieren.  Zusätzliche Masse geht dadurch verloren, dass das Fleisch vor dem Garen großzügig beschnitten werden muss. Die ungenießbare Oberfläche muss weg. Deshalb eignen sich einzelne Steaks nicht zur Trockenreifung. Kenner schwören überdies auf die Reifung am Knochen, die geschmacklich nicht zu toppen sein soll. Übrigens handelt es sich beim Aufmacherfoto nicht um trockengereiftes Fleisch. Ein frisches Steak mag vielleicht geschmacklich weniger hergeben, rein optisch ist es aber allemal attraktiver. 
Marian Kröll

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Dry Aging in 5 Schritten

Erstens:
Ein stattliches Stück von der Hochrippe kaufen, wenn möglich am Knochen und mit intakter Fettschicht.

Zweitens:

Das Fleisch in einen Kühlschrank stellen, idealerweise in einen mit Luftumwälzung. Temperatur zwischen 2 und 5 Grad Celsius einstellen.

Drittens:
Warten. Und zwar zwischen 4 und 8 Wochen, während derer das Fleischstück gelegentlich gewendet werden sollte. Es wird anfangen zu riechen. Das ist normal.

Viertens:
Nach dem Reifen die äußere Fettschicht wegschneiden, bis frisch aussehendes Fleisch zum Vorschein kommt. Steaks schneiden.

Fünftens:
Ran an den Herd. Und nein, es muss nicht Sous-Vide sein. Fachgerecht braten genügt. Guten Appetit!